Zum Anfang des Reiseberichtes.
Der Morgen hüllte sich in märchenhafte Stimmung. Nebel verschleierte das gegenüber liegende Ufer. Der Monte Baldo nur eine dunstige Silhouette. Unten im Hafen von Riva erwachte hupend eine Fähre. Ein kleines Fischerboot malte Formen in den See, verschwand. Und über all dem leuchtete, isoliert von allen Strahlen, die Sonne.
Inhaltsverzeichnis
- 10.09. 2005: Erster Tag Abreise, Übernachten im Unwetter
- 11.09. Zweiter Tag. Trampen nach München.
- 12.09. Tag drei, München. Eine merkwürdige Begegnung
- 13.09 Tag vier, München. Der Hare Krishna Mönch
- 14.09. Tag fünf, Trampen nach Riva del Garda
- 15.09. Tag sechs, Geldlos in Riva
- 16.09. Tag sieben. Bergwandern am Gardasee
- 17.09. Tag Acht. Nächtliche Störungen. Rückreise nach München
Ich betrachtete noch eine Weile die Landschaft und suchte dann den mittlerweile verhassten Geldautomaten in Riva auf. Das Geld war da und ich besorgte Benzin, drei Liter Wasser (wegen der leichten Plastikflaschen) und eine Wanderkarte vom Nord-westlichen Gardasee. Ich ging wieder die alte Straße hinauf, an meinem Schlafplatz vorbei bis zur Abzweigung auf den Wanderweg 405. Der Mittag kam und mit ihm die spätsommerliche Hitze. Die ersten zwanzig Meter des 405 sind nur unwesentlich steiler als die alte Straße. Doch dann entwickelt er sich zu einem ausgereiften Bergwanderpfad. Hier wird richtig Höhe gemacht, sagte ein Vorbeigehender. Und ich japste da mit meinem 25 Kilo Rucksack hoch. Die letzten Bergwanderungen waren fast zwei Jahre her, Tagestrips, mal eben 2000 Höhenmeter rauf und wieder runter, nur Wasserflasche und Baguette im Rucksack. Und keine Felsbrocken. Spaziergänge, im direkten Vergleich.
Nach ungefähr einer halben Stunde war ich soweit, dass ich an jeder Kehre kurze Verschnaufpausen einlegen musste. Wohl auch wegen der elenden Raucherei. Andere Wanderer überholten mich, alle hatten höchstens fünf Kilo Gepäck dabei. Wer kommt schon auf die Idee, ohne richtiges Training einen achtzig Liter Rucksack den Berg hinaufzubuckeln. Der 405 wird irgendwann zum Klettersteig. Das wollte ich alleine nicht wagen, zumal ich kein Seil und keine Klettersteigerfahrung hatte. Mein Plan war es, auf den Wanderweg 470 abzubiegen und so den steilsten Stücken auszuweichen. Der 405 wurde noch unwegsamer und mehrmals hatte ich Bedenken, ob ich die Abzweigung nicht schon verpasst hatte. Nach zwei qualvollen Stunden hatte ich 500 m Höhe geschafft und die Weggabelung gefunden. Ich folgte nun dem Wanderweg 470. Ich kam an ehemaligen Bunkeranlagen vorbei, deren Erbauer noch weitaus größere Strapazen zu überwinden hatten.
Wie grausam muss der Krieg in den Bergen gewesen sein. Welch unvorstellbare Plackerei, wenn zu der Mühsal, dem schweren Gepäck, noch die Todesangst ständiger Begleiter ist. Ich lief an natürlichen Plattformen mit herrlicher Aussicht über das Tal, welches zum Lago di Ledro führt vorbei und verbrauchte das wertvolle Wasser. Nach einiger Zeit kam ich wieder an eine Weggabelung. Noble Schilder weisen den Weg. Auf dem einen steht „sent Attrezzato Delle Laste S. Giovanni h.0.40“, der Weg führt nach oben und oben gibt es Erfolgserlebnisse aber laut Karte kein Wasser. Der andere Weg führt nach unten in ein Dorf. Dort gibt es keine Kochmöglichkeiten. Irgendwie war Bergwandern allein ganz anders als ich es mir ausgemalt hatte. All diese romantischen Vorstellungen, vom „Eins sein mit der Natur“ und der ach so tollen Möglichkeit über sich nachdenken zu können, gingen nicht in Erfüllung. Es fühlte sich anders an. Zum ersten Mal seit meiner Abreise erlebte ich Einsamkeit mit all ihrer Wucht.
Ich hatte keine Angst, darum ging es gar nicht. Es war mehr so eine Leere, die Möglichkeit mich mit jemandem Auszutauschen fehlte schmerzlich. Wenn man allein ist, ist es gleich, wo man hingeht. Ich konnte zwar einen Weg planen, doch wenn ich eine Entscheidung getroffen hatte, war es irgendwie als wäre das Ziel von vornherein klar gewesen. Das Für und Wider wurde in ein und demselben Gehirn besprochen. Dadurch war es ungleich schwerer, unbegrenzte Freiheit nicht in Ziellosigkeit ausufern zu lassen. Ich setzte mich auf einen Stein an der Kreuzung und dachte nach. Ich wusste auf einmal nicht mehr wie ich auf die blödsinnige Idee gekommen war, meinen Urlaub mit solchen Ungemütlichkeiten verbringen zu wollen. Viel hätte ich dafür gegeben, jetzt einfach mit einem guten Freund in der Kneipe zu sitzen, auf einen Kaffee oder ein Bier. Essen wäre jetzt auch nicht schlecht gewesen. Ich malte mir eine Schlemmermahlzeit aus. In geselliger Runde, dem ein oder anderen Fressflash frönend. Himmlische Vorstellung. Als ich da so saß, hin- und hergerissen, ob ich zurück- oder weitergehen sollte, kam ein anderer Wandersmann aus dem Tal herauf gestapft. Ich fragte ihn auf Englisch, ob es unten Wasser gäbe. Er sagte ja, unten wäre ein Brunnen, ungefähr 15 Minuten zu laufen. Wir wünschten uns Glück und jeder ging seiner Wege.
Ich folgte dem Pfad hinab, fand den Quell und füllte meine Flaschen. Dann ging ich, einem alten Karrenweg folgend, wieder den Berg hinauf und ließ mich nach einer dreiviertel Stunde am Wegrand zum Kochen nieder. Es war wahrlich nicht der schönste Ort, direkt an dem Weg, eine kleine Terrasse aus Schotter. Meinem Hunger war’s egal. Am Rand war ein kleiner Sandhaufen. Ich grub eine kleine Kuhle und stellte den Benzinkocher hinein. Es dauerte eine Weile, bis der Kocher richtig bollerte, zwischendurch stand einmal alles in Flammen, weil ich zu viel Benzin zum Vorheizen verwendet hatte. Das war nicht weiter schlimm, nur war danach der Kocher voll Sand, mit dem ich das Feuer im Keim erstickte. Nicht das der Tank noch explodiert. Es war vier Uhr Nachmittag und ich genoss die erste warme Mahlzeit seit drei Tagen, Nudeln mit Käse und Pasta aus dem Glas. Der reinste Luxus. Und dann lag ich da auf meiner Isomatte und dachte vor mich hin. Die Beine genüsslich ausgestreckt, der Kopf auf den dahingestellten Wanderschuhen. Ich starrte in den Himmel und ließ die Gedanken wandern. Hin und wieder schwirrte ein Gefühl von Heimweh ins Bewusstsein, leicht wie ein Windhauch nur, mit zartbitterem Nachgeschmack. Ich sehnte mich nach einem Menschen. Dachte darüber nach wie schön es jetzt wäre, Erlebnisse zu teilen. Diese Erlebnisse. Andere Wanderer kamen vom Berg herunter und gingen. Ich beobachtete eine Heuschrecke, wie sie neugierig immer näher kam, dann und wann zirpend. Die Sonne neigte sich schon hinter die Berge, blinzelte kurz, verschwand. Ihr kleinen Viecher, dachte ich, was wisst ihr schon von Heimat. Weiterlesen
Sehr schöner Bericht!
Ihr kleinen Viecher, dachte ich, was wisst ihr schon von Heimat. Vielleicht mehr als wir denken. Nur wissen die nichts von Fernweh und Sehnsucht. Deshalb sind die bestimmt auch immer froh.
Das Wandern bzw. das Reisen mit großen Rücksäcken ist immer so eine Sache. Ich habe die Erfahrung gemacht, je weniger man dabei hat, desto ungebundener ja freier ist man.
Materie bindet. Und das trifft nicht nur für das reisen, sondern auch für den Rest des Lebens zu.
„wenn man allein ist,
ist es gleich wo man hingeht“
..
Beim Klettersteigklettern braucht man kein Seil zu haben. Allerdings mind. ein Hüftgurt und ein paar Karabiner + Bandschlingen zum Sichern am Drahtseil. Die 405 Route ist relativ ungefährlich, so dass man eigentlich kein spezielles sogenanntes Klettersteigset braucht.
Allerdings ist die Route recht lang und gefährlich in Hinsicht Verlaufen. Wir haben aus der 6,5 h -Route eine 9 h Poute gemacht, weil wir gleich am Anfang vom Weg abgekommen sind. War aber trotzdem lustig…
super bericht. Ich habe dieses Jahr im Juli das selbe probiert. Ehrlich gesagt kann ich alles sehr gut nachvollziehen, da ich ähnliches erlebt habe (ausser das trampen, ich hab mal versucht, in jüngeren Jahren zu studienzwecken nach Marburg zu trampen, seither nie mehr!!).
Ich war in den schweizer Alpen unterwegs. Ich habe mir bewußt ein Gebiet ausgesucht, das nur schwachen Tourismus hat. Mit gutem Grund: ich habe festgestellt, je tiefer man von den Bergen herabsteigt, je abschätziger reagieren die Leute in Bezug auf den Abenteurer; es gibt keine Gemeinsamkeiten bezüglich der Erfahrung. Je näher die Bauern der Alpen selbst der Einfachheit waren, desto freundlicher. Man verstand sich sofort.
Es gehört sehr viel Mut dazu, einfach so loszulaufen, (zwar 25 kg Gepäck :), das vergessen die meisten.
Man kann in deinem Bericht das super gut verstehen 😀
Mein Rucksack war genauso schwer. Zu viel dabei. Ich hab einen Aussteiger in der gegend von Thun besucht, von dem ich im Fernsehen gehört habe. Der hat sich totgelacht, als er meinen Rucksack hochgehoben hat. Dieser Mensch war super. Der lebt in nem offenen Unterstand mit ganz viel Dingen drin, sogar Musikinstrumente, der blanke Luxus 🙂
Ich habe nie einen Ort gesehen, der soviel Frieden ausgestrahlt hat – durch diesen Kerl.
Von wegen sich selber finden. Als ich unterwegs war – ich war selbst auch nur 5 tage unterwegs – kams mir nicht so vor. allerdings hab ich doch viel mitgenommen. man kriegt das im augenblick des geschehens nicht so mit.
Es hat mich angespornt. ich werde das wieder tun, ein wenig länger, ein bisschen die Fallen vermeiden, in die man unweigerlich reintappt beim ersten mal. Und am ende werde ich Landstreicher 😛
lg
Max
Ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zu sich selbst … ich habe jedes Wort mit Genuss gelesen und bin, wo ich nun alles noch einmal überdacht habe, froh darüber zu wissen dass ich nicht der einzige Mensch bin der so denkt. Denn leider ist das in meiner gesellschaftlichen Umgebung der Fall.
Vielen Dank für diese wünderschöne Geschichte 🙂
Es war sehr schön
..wenn ich das os lese, werd‘ ich doch kein Aussteiger, wenn ich mal groß bin
… sind Aussteiger jetzt schon im Internet?
Verrückte Welt!!!!
Ich plane gerade Wanderung um den Gardasee und bin auf der Suche nach Material auf deine Seite gestoßen. Bin letztes Jahr um den Bodensee gewandert, alleine, was ich ganz toll fand. Ich wollte mir über alles mögliche Gedanken manchen, aber mein Hirn hat jegliches Denken, was nicht unmittelbar mit der Wanderung zu tun hatte, verweigert. Nach der 10-tägigen Wanderung wurde mir klar, dass ich nicht wirklich was zu überdenken hatte, und dass ich keine wirklichen Probleme habe.
Mal sehen, ob ich den Gardasee wandernd umrunden kann, viel Material habe ich noch nicht gefunden. Und da ich alleine laufe, sollte es nicht gerade fernab der Zivilisation sein, falls was passiert. So, jetzt lese ich voller Neugier deinen Bericht weiter.
Herzliche Grüße, Ellen
(moonrose (at) gmx.net)
geile sache!endlich ruhe nur ruhe!keine ewig meckernde frau keine scheiss nie zufrieden stellende kunden nur ruhe ohne handy scheisse email und fax wow ich habe keinen bock mehr!!!!!
stimmt es das man am gardersee wakeboarden kann?